Politiker sind unsere Angestellten – und nicht unsere Herren

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Wer regiert eigentlich wen? Diese Frage klingt banal – aber sie ist zentral für jede funktionierende Demokratie. Denn der Staat ist keine übergeordnete Macht, sondern eine von uns geschaffene Struktur. Er soll verwalten, nicht befehlen. Und Politiker sind unsere Angestellten, nicht unsere Herrscher. So zumindest war es ursprünglich gedacht.

Doch wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre ansieht, scheint sich etwas Grundlegendes verschoben zu haben. Immer mehr Menschen spüren: Der Ton wird autoritärer, die Regeln enger, die Kritik riskanter. Der Staat regiert – und das Volk gehorcht. Doch wer hat diese Umkehr der Machtverhältnisse erlaubt? Und wie konnte es so weit kommen?

Vom Dienst am Bürger zur Reglementierung des Bürgers

Das Grundprinzip der Demokratie ist einfach: Das Volk gibt dem Staat seine Macht – auf Zeit, unter Kontrolle, mit klaren Spielregeln. Abgeordnete sind Vertreter, nicht Herrscher. Sie sollen den Willen des Volkes umsetzen, nicht ihren eigenen durchsetzen. Das gilt auch für Polizei, Verwaltung, Justiz: Sie sind Instrumente der Gesellschaft, geschaffen zum Schutz und zur Ordnung – nicht zur Machtausübung.

Inschrift „Dem Deutschen Volke“ am Bundestag als Erinnerung, dass Politiker sind Angestellte des Volkes
Der Bundestag trägt es sichtbar auf dem Giebel: Politiker dienen dem deutschen Volk

Im Alltag jedoch sieht es längst anders aus. Der Begriff „Regierung“ wird kaum noch hinterfragt. Dabei steckt darin ein gravierender Denkfehler. Denn regieren bedeutet herrschen. Und Herrschaft bedeutet Macht über andere. Doch wer gibt diese Macht? Wer beauftragt? Wer kontrolliert?

Ein lesenswerter Hintergrundartikel auf netzpolitik.org erklärt, wie sich die Begriffe rund um staatliche Macht zunehmend verschieben – weg von Mitbestimmung, hin zu Regulierung und Überwachung.

Wenn Kritik zum Risiko wird

Ein zentrales Kennzeichen autoritärer Systeme ist die Einschränkung von Kritik. Und genau hier zeigt sich, wie weit sich westliche Demokratien bereits von ihren eigenen Idealen entfernt haben. Wer sich in den letzten Jahren kritisch zu bestimmten Politikern oder politischen Entscheidungen äußerte – sei es auf Social Media, in Podcasts oder auf Demonstrationen – sah sich mitunter juristischen Konsequenzen konfrontiert.

Hausdurchsuchungen wegen Facebook-Posts?

Verfahren wegen Satire oder zugespitzter Kritik?

Blockieren ganzer Konten wegen angeblicher Desinformation?

Das alles ist keine dystopische Zukunftsvision. Es ist bereits Realität.

In Deutschland wurde z. B. der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Jurist Hans-Georg Maaßen öffentlich diffamiert und aus Ämtern gedrängt – weil er sich wiederholt regierungskritisch äußerte. Der politische Diskurs wird enger, die Grenzen des Sagbaren schrumpfen. Wer heute sagt, „Politiker sind unsere Angestellten“, wird schnell als populistisch, radikal oder verschwörungstheoretisch abgetan. Doch ist das nicht vielmehr eine demokratische Erinnerung?

Auf Reporter ohne Grenzen lässt sich nachlesen, wie sich Deutschland in Sachen Presse- und Meinungsfreiheit im internationalen Vergleich verschlechtert hat – vor allem seit 2020.

Hier bei uns im Domiversum wurde bereits thematisiert, wie leicht aus Regeln Kontrolle und aus Sicherheit Bevormundung wird.

Die Meinungsfreiheit stirbt nicht mit einem Knall – sondern mit Paragrafen

Die Einschränkung von Grundrechten beginnt selten spektakulär. Sie beginnt schleichend – und wird meistens mit guter Absicht verkauft. Niemand sagt: „Wir wollen euch die Freiheit nehmen.“ Nein, es heißt: „Wir müssen euch schützen. Vor Hass. Vor Hetze. Vor Desinformation.“ Klingt gut. Doch wer definiert, was Hetze ist? Wer entscheidet, was Desinformation ist? Denk dran: Politiker sind unsere Angestellten und nicht unsere Herren!

Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert die Meinungsfreiheit. Doch genau dieser Artikel wird in der Praxis zunehmend relativiert. Plattformen löschen Inhalte im Auftrag staatlicher Behörden, Medien geben sich selbst auferlegte „Leitlinien“ für zulässige Narrative. Der Korridor dessen, was öffentlich gesagt werden darf, wird enger – und das oft ohne offene Zensur, sondern durch wirtschaftlichen Druck, moralische Appelle und algorithmische Unsichtbarkeit.

Im lesenswerten Essay „Freiheit als Umgang mit Not“ wird deutlich, wie existenziell Meinungsfreiheit für echte Souveränität ist – und was passiert, wenn sie unter Druck gerät.

Bürger als Untertanen – eine Rückwärtsbewegung

Wenn du heute auf einen Polizisten triffst, siehst du nicht mehr unbedingt den „Freund und Helfer“. Du siehst jemanden, der dir befehlen darf, der dich bestrafen kann – und oft auch ohne richterliche Anordnung auf dein Eigentum zugreifen darf. In Pandemiezeiten durften Ordnungskräfte Wohnungen betreten, private Treffen auflösen und Bußgelder verhängen – ohne demokratische Kontrolle.

Auch hier gilt: Die Maßnahme mag im Einzelfall nachvollziehbar sein – doch die strukturelle Entwicklung ist gefährlich. Denn sie gewöhnt uns daran, dass der Staat über uns steht. Dass er entscheidet, was richtig ist. Dass Politiker eben nicht mehr unsere Angestellten sind, sondern sich als Manager eines Systems verstehen, das sich selbst erhalten will.

Diese Umkehr ist fatal. Denn sie entzieht der Demokratie ihren Kern: die Volkssouveränität.

Denk dran: Politiker sind unsere Angestellten und nicht unsere Herren!

Keine Revolution, aber Rückbesinnung

Frankreich hat eine lange revolutionäre Tradition. Deutschland eher nicht. Während in Paris regelmäßig Barrikaden brennen, setzt man in Berlin eher auf Petitionen und Talkshows. Das ist per se nichts Schlechtes – aber es erklärt, warum demokratischer Widerstand in Deutschland oft so zögerlich ist.

Doch genau hier liegt das Problem. Wenn Menschen nicht mehr einfordern, was ihnen zusteht – sondern nur noch ertragen, was ihnen auferlegt wird – dann stirbt die Demokratie nicht durch Diktatur. Sie stirbt durch Gleichgültigkeit.

Was wir brauchen, ist keine Revolution. Sondern eine Rückbesinnung. Auf Grundwerte. Auf Artikel 20 des Grundgesetzes. Auf das Prinzip, dass Politiker unsere Angestellten sind – und nicht unsere Erzieher, Richter oder Retter.

Was tun, wenn Politiker vergessen, dass sie unsere Angestellten sind?

Wenn der Bürger zum Objekt wird und der Staat sich verselbstständigt, ist nicht Resignation gefragt – sondern Erinnerung. Politiker sind unsere Angestellten, weil das Fundament einer Demokratie auf dem Prinzip der Rechenschaft beruht. Und wer bezahlt, der bestimmt. Zumindest sollte es so sein.

Protestaktion: Politiker mit Getränk überschüttet – Symbolische Geste gegen Machtausübung
Öffentliches Zeichen des Protests: „Ihr seid nicht unsere Herrscher“

Doch wie kehren wir zurück zu einer Gesellschaft, in der Macht wieder in Bürgerhand liegt? Was tun, wenn gewählte Vertreter sich nicht mehr als Vertreter verstehen, sondern als Erzieher, Regenten oder Moralinstanzen?

Kritik ist kein Extremismus – sie ist notwendig

In einer gesunden Demokratie ist Kritik kein Problem, sondern ein Pflichtbestandteil. Nur durch öffentliche, klare und auch unbequeme Fragen bleibt Macht begrenzt. Doch gerade in Deutschland gilt politische Kritik schnell als „radikal“, „gefährlich“ oder „unsolidarisch“.

Dabei ist es das genaue Gegenteil: Wer sich zu Wort meldet, übernimmt Verantwortung. Wer schweigt, gibt sie ab. Und wer heute nicht sagt, dass Politiker unsere Angestellten sind, darf sich morgen nicht wundern, wenn sie sich aufführen wie Könige.

Im Artikel „Warum du ständig anderen helfen willst“ wurde bereits thematisiert, wie falsch verstandene Loyalität und unterwürfiges Verhalten zu systemischer Selbstaufgabe führen – das gilt auch im politischen Raum.

Der Staat darf nicht über allem stehen

Ein Staat, der sich über seine Bürger erhebt, ist kein demokratischer Staat. Er ist ein Verwaltungsapparat mit Allmachtsanspruch. Ob es um Gesundheit, Klima, Sicherheit oder Bildung geht – die Lösungen dürfen nie bedeuten, dass Bürger entmachtet, entmündigt oder mundtot gemacht werden.

In der Pandemie zeigte sich exemplarisch, wie schnell Grundrechte zur Verhandlungssache wurden. Versammlungsfreiheit, körperliche Selbstbestimmung, Reisefreiheit – alles stand zur Disposition. Und obwohl viele Maßnahmen sicher gut gemeint waren, bleibt die Frage: Wer entscheidet über Ausnahmezustände – und wer beendet sie wieder? Politiker sind unsere Angestellten und nicht unsere Herren!

Eine fundierte juristische Analyse dieser Problematik bietet die Neue Juristische Wochenschrift (NJW), die wiederholt auf verfassungsrechtliche Spannungsfelder während Krisen hingewiesen hat.

Digitale Kontrolle statt direkter Verantwortung?

Ein weiteres Problemfeld ist der digitale Raum. Politiker delegieren Verantwortung immer öfter an Algorithmen, Plattformen, Moderationsteams. Inhalte, die nicht ins offizielle Narrativ passen, verschwinden – nicht durch offizielle Zensur, sondern durch plattformeigene Mechanismen. Der Staat schweigt – und profitiert.

Wer heute seine Meinung äußert, muss damit rechnen, digital degradiert zu werden. Shadowbanning, demonetarisierte Kanäle, gesperrte Kommentare – ein neuer Typus von Strafmaßnahme ist entstanden, ganz ohne offizielle Gerichtsbarkeit.

Auf netzpolitik.org findest du regelmäßig Berichte zu diesen Entwicklungen. Sie zeigen, wie demokratisch gewählte Politiker zunehmend mit privaten Konzernen kooperieren – und dabei ihre Pflicht zur Transparenz und Verantwortung oft ablegen.

Wie sich Bürger Macht zurückholen können

Der erste Schritt ist einfach: Sprache zurückerobern.

Nenne die Dinge beim Namen. Politiker sind keine Führungskräfte, sondern Beauftragte. Polizei ist kein Instrument des Staates, sondern ein Dienst für die Bürger. Der Staat ist keine Autorität – er ist eine Struktur, die dem Volk untersteht.

Der zweite Schritt: Widerstand durch Aufklärung.

Spreche mit anderen, verlinke Artikel wie „Innere Gefangenschaft durch die Matrix“, stelle Fragen. Unterstütze Plattformen, die kritischen Journalismus betreiben – ob unabhängig oder etabliert.

Der dritte Schritt: Ziviler Ungehorsam – wohldosiert und gezielt.

Politiker werden bei öffentlichem Auftritt mit Eiern beworfen – Symbolbild zur Aussage: Politiker sind unsere Angestellten
Bundespraesident Christian Wulff (2.v.l.) wird am Donnerstag (14.04.11) vor dem Hessischen Landtag in Wiesbaden neben einem Personenschuetzer (l.), dem hessischen Ministerpraesidenten Volker Bouffier (CDU, r.) und dem hessischen Landtragspraesident Norbert Kartmann (CDU, 2.v.r.) mit einem Ei beworfen. Ein Mann mittleren Alters schaffte es, in Wiesbaden ueber die Dienstlimousine des Bundespraesidenten hinweg ein rohes Ei in Richtung Wulff zu werfen und ihn an der Hose zu treffen. Auch Hessens Ministerpraesident Volker Bouffier (CDU) wurde von einem Ei getroffen. Der Taeter wurde vom Sicherheitspersonal abgefuehrt. (zu dapd-Text) Foto: Thomas Lohnes/dapd

Nicht jede Regel verdient Gehorsam. Wenn Gesetze offensichtlich nur dazu dienen, Macht zu sichern, nicht Menschen zu schützen, dann darf man sie hinterfragen – auch durch bewusste Nichtbefolgung. Das ist kein Aufruf zur Anarchie, sondern zur mündigen Abwägung. Gandhi, Rosa Parks, Julian Assange – sie alle haben durch bewussten Regelbruch Geschichte geschrieben.

Demokratie braucht Reibung

Ein System ohne Kritik degeneriert zur Diktatur. Eine Gesellschaft ohne Konflikt verliert ihre Richtung. Und ein Volk, das seine Stimme nicht nutzt, wird zum Nutzobjekt.

Deshalb ist es kein Tabubruch zu sagen: Politiker sind unsere Angestellten. Es ist ein demokratisches Statement. Eines, das heute mehr denn je gebraucht wird.

Wenn du dich für die philosophische Seite dieser Machtfragen interessierst, lies auch „Was kam zuerst – das Huhn oder das Ei?“ – ein Text über Ursachen, Wirkungen und die Kunst des systemischen Denkens.

Fazit: Politiker sind unsere Angestellten – also verhaltet euch auch so

Eine Demokratie lebt vom Bewusstsein, dass Macht nur auf Zeit verliehen wird – und immer kontrolliert werden muss. Politiker sind unsere Angestellten, nicht unsere Herrscher. Wer das vergisst, macht den Staat zur moralischen Autorität und den Bürger zum abhängigen Untertan.

Kritik ist kein Extremismus, sondern Pflicht. Ziviler Ungehorsam ist kein Chaos, sondern ein Zeichen von Verantwortung. Und der Appell, sich einzumischen, zu hinterfragen und sich nicht einschüchtern zu lassen, ist keine Rebellion – sondern gelebte Demokratie.

Wir brauchen keine neuen Parteien, keine neuen Führer, keine neuen Dogmen. Wir brauchen nur eine klare Haltung: Dass der Souverän das Volk ist – und bleibt. Wenn das wieder zur Normalität wird, dann ist der erste Schritt getan.

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